27. Oktober 2022

Für Augenhöhe muss sich niemand klein machen

Ob ein Lead am Ende des Kaufprozesses unsere Lösung kauft, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Selbstverständlich müssen Lösung und Budget passen. Andere Kriterien können wir aktiv beeinflussen. Ein entscheidender Faktor, ob wir gemeinsam die nächsten Schritte gehen, ist die Begegnung auf Augenhöhe.

Das sagt sich so leicht: Wir sollten immer auf Augenhöhe mit dem Kunden sein. Wenn wir auf unsere guten (Stamm-)Kunden blicken, dann haben wir damit meistens kein Problem. Diese guten und meist funk­tio­nie­renden Part­ner­schaften gründen aller­meist wie selbst­ver­ständ­lich auf einer Beziehung mit Augenhöhe. Das hat sich auto­ma­tisch so entwickelt.

Ganz zu Beginn eines Kauf­zy­klus fühlt sich das oft anders an. Der Kunde lässt uns spüren, dass er am längeren Hebel sitzt. Ganz stark dann, wenn die Anfor­de­rungen in Form einer Ausschrei­bung abge­bildet werden und viele Anbieter im Spiel sind. Oder wenn wir auf eine zeit­kri­ti­sche Anfrage ein Angebot schreiben und dann (lange) keine Rück­mel­dung erhalten.

Genauso kann das Ungleich­ge­wicht von der anderen Seite ausgehen: In der typischen Manier eines Verkäu­fers versuchen wir ebenfalls gerne, dem Kunden unsere Über­le­gen­heit zu zeigen, was schnell als Mani­pu­la­tion empfunden wird.

Sich zwischen Kunde und Vertrieb auf Augenhöhe zu begegnen ist also nicht ganz einfach. Und gerade deshalb ist es ein wichtiger und Erfolg-trei­bender Aspekt im gemein­samen Kaufprozess.

Das Prinzip Augenhöhe

Verkäu­fe­risch auftreten ist per se der augen­schein­liche Versuch, schnell einen Abschluss zu erlangen. Das wird sehr stark negativ wahr­ge­nommen, weil eben auch sehr verbreitet. Der Kunde erwartet direkt, dass wir, als vertrieb­liche Ansprechpartner*innen, in dieser Rolle ankommen und empfängt uns deshalb mit der entspre­chenden Portion Misstrauen.

Die gute Nachricht dabei ist: Dies können wir leicht durch­bre­chen, indem wir explizit nicht verkäu­fe­risch auftreten.

Im B2B bestimmen zunehmend fachliche Faktoren – ein großer Teil der Entschei­dung hat aller­dings immer noch mit dem Bauch­ge­fühl zu tun. Wenn das Vertrauen nicht da ist, kommen wir typi­scher­weise nicht wesent­lich gemeinsam voran. Es soll angenehm sein und sich gut anfühlen, mit uns zusammen zu arbeiten.

Wesent­liche Elemente dazu sind:

Gute Gespräche
Eine intensive inhalt­liche Ausein­an­der­set­zung mit unserem Kunden und seinem Problem führt auto­ma­tisch dazu, dass wir die richtigen Fragen stellen. Das zeigt ehrliches Interesse und fällt dem Kunden auf. Außerdem gilt auch hier: Mehr Zuhören, weniger Reden. Als grober Richtwert dient wie immer die 2:1 Regel: Doppelt so viel zuhören als reden.
Durch ein ehrliches Interesse und aktives Zuhören sind wir beim Gespräch auto­ma­tisch 100% dabei. Eine kurze Zusam­men­fas­sung am Ende jeden Gesprächs vermeidet Miss­ver­ständ­nisse und damit Frust auf beiden Seiten.

Angenehme Profes­sio­na­lität (Authen­ti­zität & Offenheit)
Häufig versuchen wir, unsere Profes­sio­na­lität durch Fach­be­griffe zu unter­strei­chen oder indem wir uns Unzu­läng­lich­keiten nicht anmerken lassen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir eine Antwort nicht direkt parat haben, aber zusagen, diese nach­zu­lie­fern, sind wir ebenso profes­sio­nell und gleich­zeitig mensch­lich und authen­tisch. Mit einer einfachen Sprache durch Para­phra­sieren und KISS (keep it short & simple) statt Fach­jargon begegnen wir dem Kunden auf Augenhöhe und beweisen echtes Interesse an einer gemein­samen Lösung.

Wert­schät­zung
Das ist ein wenig wie das Salz in der Suppe beim Kommu­ni­zieren. Gerade wenn wir das unbe­dingte Gefühl haben, es gerade besser zu verstehen, ist die Zeit der positiven Wert­schät­zung. Statt „Aber da brauchen Sie noch ganz andere Funk­tionen …“ viel­leicht ein: „Gut, dass Sie das so erkennen. Was halten Sie denn davon, wenn wir gemeinsam noch weitere Funk­tionen wie … prüfen?“ verwenden.
Gerade durch Vorbe­rei­tung, Pünkt­lich­keit, Verbind­lich­keit und (natürlich) adäquate Höflich­keit bringen wir unserem Gegenüber Wert­schät­zung entgegen. Hier kann durchaus auch einmal die adäquate Locker­heit diesen Aspekt ausfüllen.

Positive Aufmerk­sam­keit und AAA (Anders sein Als Andere)
Durch positive Kommu­ni­ka­tion festigen wir die Beziehung zu unserem Gegenüber. Das funk­tio­niert ganz einfach über verbale Zustim­mung, ein Lächeln oder Nicken. Das kennen die meisten.
Ein einfaches und gleichsam starkes Instru­ment sind Namen – praktisch jeder weiß das und dennoch nutzen es wenige. Wir sollten die Namen aller Betei­ligten nicht nur kennen, sondern diese auch aktiv und souverän einsetzen können (im richtigen Maß). Das schafft direkt Aufmerk­sam­keit und ebenfalls auch Augenhöhe.
Das Prinzip Anders Als Andere (AAA) hilft gerade in der Anfangs-Kommu­ni­ka­tion, sich vom Wett­be­werb angenehm zu unter­scheiden und unser Gegenüber positiv zu über­ra­schen. So erreichen wir seine Aufmerksamkeit.

Zuver­läs­sig­keit und Klarheit
Idea­ler­weise fragen wir im Vorfeld von Gesprä­chen und Meetings die Erwar­tungs­hal­tung bei unserem Kunden ab. So schaffen wir Klarheit auf beiden Seiten und beugen Frust vor, indem wir trans­pa­rent kommu­ni­zieren, was davon aktuell erfüllt werden kann und was nicht. Wenn wir selbst verbind­lich und zuver­lässig sind, können wir dies auch auf der anderen Seite einfordern.

Handeln auf Augenhöhe

Eine part­ner­schaft­liche Ebene wird dann offenbar, wenn alles, was hierfür relevant ist, im Gleich­ge­wicht ist. Das ist im Business genauso wie im privaten Bereich. Freund­schaften, in die nur eine*r inves­tiert funk­tio­nieren (in der Regel) auf Dauer nicht.

Wir wollen, dass uns der Kunde als Berater annimmt und wir ihn, in seinem Sinne, zu seinem Ziel führen dürfen. Dafür muss er verstehen und spüren, dass wir alles, was wir dafür tun, unter sein Ziel stellen; und, dass dabei nicht unser Eigen­in­ter­esse im Vorder­grund steht. In diesem Prozess ist es ziel­füh­rend, den gegen­sei­tigen Nutzen aufzu­zeigen (WHED) und laufend zu avisieren.

 

In jeder guten Beziehung gilt: Geben und Nehmen

Geben und Nehmen soll also im Gleich­ge­wicht sein. Tatsäch­lich geben wir als Verkäufer im Kauf­pro­zess typi­scher­weise sehr viel: Termine, Infos, Vorbe­rei­tung, Angebote, Demos usw. Dafür dürfen und sollten wir auch entspre­chend nehmen. Das erreichen wir, indem wir die Führung über­nehmen und Gegen­leis­tungen vom Kunden forcieren, wie das Sich-Einbringen und Infor­ma­tionen. Gleich­zeitig können wir Commit­ments zu klaren Verein­ba­rungen über kommende Schritte im Kauf­pro­zess einfordern.

Gerade wenn es der Kunde ernst meint (das Projekt ist da und wir sind ein ernst­hafter Anbieter und kein Benchmark), wird es in seinem Interesse sein, wenn wir in diesem Sinne die Führung übernehmen.

Übrigens: Das Gesetzt der Rezi­pro­zität besagt, dass wir niemandem etwas schuldig sein wollen. Das bedeutet konkret: Auch Kunden als unsere Partner wollen nicht, dass wir uns ihnen bedin­gungslos hingeben und alles machen, was sie wollen – eigent­lich. Ich habe aller­dings manchmal den Eindruck, dass wir im Vertrieb unsere Kunden manchmal selbst ein wenig in die falsche Richtung „erziehen“.

 

Der Anfang ist entscheidend

Das kleine Geheimnis steckt aus meiner Sicht im Beginn. So, wie der erste Eindruck prägend ist, stellen wir auch am Beginn eines Kauf­pro­zesses schnell die Weichen, wie wir mitein­ander umgehen. Viele im Vertrieb haben gelernt, dass wir zu Beginn erst viel inves­tieren müssen, um später daraus abrufen zu können. Manche meinen gar, dass wir gerade am Anfang im Wett­streit mit den anderen Anbietern stehen und deshalb am meisten in die Waag­schale schmeißen müssen.

Nein. Möglichst früh dürfen wir zeigen und leben, dass hier ein gemein­samer Weg startet. Und gerade wenn wir früh beginnen, Geben und Nehmen im Sinne eines gemein­samen Nutzens und Erfolges zu beweisen, erreichen wir Augenhöhe.

 

#kaufen­lassen

Praktisch niemand will etwas verkauft bekommen. Und gerade für das Prinzip Augenhöhe verbietet sich dieser Ansatz voll­ständig. Sobald wir das Gefühl haben, hier möchte uns jemand eine Lösung mit Druck, mani­pu­lativ oder gegen unsere eigenen Kriterien verkaufen, fühlen wir uns alles andere als auf guter Augenhöhe.

Ein optimaler Ansatz hier ist das Mindset #kaufen­lassen. Dies bedeutet, den Kunden im Kauf­pro­zess Schritt für Schritt zu seiner richtigen Entschei­dung zu führen. Dabei nehmen wir konse­quent die Kunden­per­spek­tive ein. Und Achtung: das ist ein sehr aktives Vorgehen.

Was bringt uns im Sinne von #kaufen­lassen konkret auf eine gute Augenhöhe?

Kunden­wissen
Durch Fragen und Zuhören gewinnen wir möglichst viel Kunden­wissen. Diese Infor­ma­tionen dürfen dann den Grund für die von uns vorge­schla­genen Schritte bilden. Und: Wie soll der Kunde unseren Rat oder unsere Ideen akzep­tieren, wenn nicht offen­sicht­lich ist, dass sie zur konkreten Kunden­si­tua­tion passen?

Indi­vi­dua­lität
Auch wenn unsere Lösungs­an­sätze gute Standards abbilden – jeder Kunde ist anders. Gerade wenn das Gefühl entsteht, hier wird eine Lösung einfach über­ge­stülpt, erzeugt dies ein Gefälle. Ein solches verkäu­fe­ri­sches Tun versucht den Kunden klein zu machen. Das wird zum Bumerang in Sachen Augenhöhe.

Commit­ments
Geben und Nehmen wird in guten Part­ner­schaften immer in gewisser Balance stehen. Wir leisten typi­scher­weise sehr viel für den Kunden im Laufe eines Kauf­pro­zesses. Termine, Präsen­ta­tionen, Spezia­listen und Knowhow, Test­mög­lich­keiten etc. Damit haben wir doch auch das Recht, eine passende Gegen­leis­tung einzu­for­dern. Dabei führen wir übrigens zwingend den Prozess. Spätes­tens hier prüfen wir also, ob auch die Augenhöhe vom Kunden zu uns gegeben ist.

Nutzen, Nutzen, Nutzen
Der Kunde kauft keine Lösung. Er ist alleine inter­es­siert am Nutzen, welcher für ihn darin steckt. Alles was wir mit dem Kunden machen, soll gemeinsam einen Nutzen erzeugen. Wenn das gelingt und jederzeit erklärbar ist, dann ist das auto­ma­tisch die Grundlage für Augenhöhe und das gemein­same Ziel.

Dieser Perspek­tiv­wechsel macht beim Kunden einen großen Unter­schied: Er hat damit nicht das Gefühl, dass wir ihn mani­pu­lieren wollen, um ihm etwas zu verkaufen – vielmehr entsteht lang­fristig das Gefühl von Vertrauen und Part­ner­schaft auf Augenhöhe.

 Kernaussagen

  • Entschei­dend für Erfolg im B2B Vertrieb sind fachliche Faktoren und Bauch­ge­fühl, das durch Augenhöhe positiv geprägt wird
  • Wichtig für Augenhöhe sind gute Gespräche, Angenehme Profes­sio­na­lität, Wert­schät­zung, positive Aufmerk­sam­keit, AAA sowie Zuver­läs­sig­keit und Klarheit
  • Part­ner­schaft­liche Ebene mit dem Kunden erreichen wir durch ein Gleich­ge­wicht in Geben und Nehmen
  • #kaufen­lassen statt verkaufen macht beim Kunden einen entschei­denden Unterschied

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